Wie alles anfing (2002)

Am 18. Mai 2002 ruft das Schwäbische Tagblatt mit folgendem Artikel den Start der Kinder-Uni aus:
Kinder, stürmt den Hörsaal!
Schwäbisches Tagblatt und Universität Tübingen starten gemeinsam die Kinder-Uni.

TÜBINGEN. Echte Professoren, die Vorlesungen nur für Kinder halten: Gibt's das? Ja! Anfang Juni startet das SCHWÄBISCHE TAGBLATT gemeinsam mit der Tübinger Universität ein bundesweit einmaliges Projekt: die Kinder-Uni. Bis Ende Juli werden Professoren der Tübinger Uni jede Woche eine Vorlesung exklusiv für Kinder halten (siehe auch das ÜBRIGENS).

Dass Professoren entgegen verbreiteten Vorurteilen durchaus in der Lage sind, Kindern etwas zu erklären, hat schon die „Süddeutsche Zeitung“ bewiesen. In einer Serie für das „SZ-Magazin“ beschäftigten sich Nobelpreisträger mit Fragen wie „Warum ist 1+1=2“ oder „Warum ist der Himmel blau?“ Das SCHWÄBISCHE TAGBLATT geht gemeinsam mit der Tübinger Universität einen Schritt weiter. Von Juni an werden Tübinger Professoren im großen Hörsaal der Anatomie direkt vor Kindern lehren. So etwas gab es nach unseren Recherchen in Deutschland noch nie. Zugesagt haben bis jetzt außer Uni-Rektor Eberhard Schaich (Wirtschaftswissenschaft) unter anderem die Professoren Hermann Bausinger (Kulturwissenschaft), Gregor Markl (Mineralogie), Hans-Ulrich Grunder (Erziehungswissenschaft) und Lutz Richter-Bernburg (Islamwissenschaft). Sie werden so schwierigen Warum-Fragen nachgehen wie „Warum beten Moslems auf einem Teppich?“ oder „Warum muss man über Witze lachen?“

Für das TAGBLATT und die Universität ist die Kinder-Uni ein Experiment, das sich, wenn es gut geht, auch verlängern lässt. Unirektor Eberhard Schaich jedenfalls ist „gerne und begeistert dabei“ und will bei den Vorlesungen „erkunden, was die jungen Menschen wirklich interessiert“. Schaich: „Uns an der Universität können dabei durchaus die Augen geöffnet werden, wenn wir dieses Interesse mit unseren eigenen Erwartungen an die Kinder vergleichen. Ich halte es für sehr wichtig, dass auch die Schulkinder die Universität als offene Institution erleben können, mit der man reden kann.“ Schaich hofft, dass bei den Kindern der Eindruck entsteht, „dass die Leute, die an der Universität in welcher Funktion auch immer arbeiten, durchaus vernünftige Menschen sind“.

Geplant sind vorerst acht Vorle-sungen bis Ende Juli. Vorgelesen wird (mit einer Ausnahme) immer dienstags um 17 Uhr. Genau genommen: 17.15 Uhr, denn die akademische Viertelstunde (c.t.) gilt selbstverständlich auch bei der Kinder-Uni. Wie bei der „großen“ Uni vergibt die Kinder-Uni Studentenausweise und zum Abschluss auch Scheine, die allerdings nicht benotet werden. Doch gibt es für jede besuchte Vorlesung einen Stempel. Zuhören können Kinder jeden Alters, doch werden sich die Professoren besonders auf die Altersgruppe von acht bis 14 Jahren einstellen. Erwachsene sind als Hörer nicht zugelassen, es sei denn, sie kommen nachweislich in Begleitung von Kindern. Wie bei der großen Uni werden die Kinder ihrem Lieblingsprofessor am Ende den Kinder-Uni-Lehrpreis verleihen.

Die erste Veranstaltung in der Reihe bestreitet passenderweise ein Wissenschaftler, der, rein von den Zahlen her, seinem Publikum am nächsten ist. Gregor Markl war 1999, als er zur Universität kam, mit 28 Jahren der jüngste Professor Deutschlands. Er geht am 4. Juni der Frage nach, warum Vulkane Feuer spucken. Als einzige Abweichung vom gewohnten Dienstagstermin gibt es in der Kinder-Uni-Reihe auch eine Open-Air-Vorlesung. Am Mittwoch, 3. Juli, beschäftigt sich der Urgeschichtler Prof. Nicholas Conard um 17 Uhr im Alten Botani-schen Garten mit der Frage, warum aus Affen Menschen wurden. Mit der Vorlesung wird der Erste Tübinger Sommergarten eröffnet, eine fünftägige Veran-staltung der Vereinigung Tübinger Gastronomen und Hoteliers (TüGast) rund um das Sommerfest der Universität. Zum Sommerfest erwartet die Uni in ihrem Jubiläumsjahr unter anderem Ministerpräsident Erwin Teufel und Bundespräsident Johannes Rau.

Die Vorlesungen der Kinder-Uni werden im TAGBLATT mit Logo angekündigt.

Von Ulrich Janßen

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